Die Entstehungsgeschichte des Taiji Quan


Ein "ungelöstes Rätsel" – so könnte man den Ursprung des Taiji Quan umschreiben, denn bis heute weiß niemand eindeutig, wann genau diese Kampfkunst entstanden ist. In seinen Anfängen wurde das Taiji dem Bereich der "Volkskunst" zugeordnet, deshalb sind auch keine Belege und Quellen im wissenschaftlichen Sinn über seine Entstehung vorhanden. Doch es existieren zahllose Anekdoten, Legenden und Erzählungen, die zunächst über Jahrhunderte hinweg mündlich überliefert und schließlich ab dem 18. Jahrhundert auch schriftlich aufgezeichnet wurden.
Die Anekdote, die am weitesten zurückreicht, handelt von einem gewissen Xu Xuanping (8.Jhdt.) aus der Provinz Anhui, der während der Tang-Dynastie (618-906) als Einsiedler gelebt haben soll, und den der Taiji-Großmeister Gu Liuxin als einen "Erforscher der mysteriösen Kräfte" bezeichnete. Xu galt als eine herausragende Person, die keiner Nahrung bedarf und trotzdem so schnell wie ein galoppierendes Pferd gewesen sein soll. Darüber hinaus soll er eine Art Taiji-Faustkampf beherrscht haben, die siebenunddreißig Bewegungen umfasste und dem Changquan (Lange Faust)--Stil glich. Bisher konnte jedoch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass Xu Xuanping wirklich existierte, geschweige denn als der erste oder ein Vertreter des Taiji Quan gelten kann.
Die wohl populärste Erzählung zur Entstehungsgeschichte des Taiji Quan geht auf den daoistischen Wanderpriester Zhang Sanfeng zurück, der im 13./14. Jhdt. Auf dem Berg Wudang in der chinesischen Provinz Hebei gelebt haben soll. Der Überlieferung zufolge beobachtete er eines Tages den Kampf einer Schlange mit einem Raubvogel. Die runden, kreisförmigen und geschmeidigen Bewegungen der Schlange, die den Angriffen des Raubvogels immer wieder überraschend auswich, bis dieser sich erschöpft zurückzog, inspirierten Zhang zur Schaffung eines Kampfstils, der auf weichen, kreisenden, defensiven Bewegungen beruhte. Zhang Sanfeng gilt gemeinhin als der Urvater des Taiji Quan.

Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen wird in China die Entstehung des Taiji jedoch auf Anfang des 17. Jahrhunderts datiert und dem Kampfkünstler Chen Wangting (1600-1680 n. Chr.) aus Chen Jiagou in der Provinz Henan zugeschrieben. Aufgrund schriftlicher Belege gilt er offiziell als Begründer des Taiji Quan.

Den Quellen zufolge schuf Chen Wangting, nachdem er sich im Alter von seinem Leben als General in die Einsamkeit zurückgezogen hatte, mehrere weiche Faustkampfstile, die alle auf der Philosophie des "Buches der Wandlungen", auf den Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin und auf verschiedenen Wushu-Techniken beruhten. So entstand auch das nach ihm benannte Chen-Stil-Taiji. Die Verbreitung seiner Taiji-Stile ist vor allem Chen Changxing (1771 - 1853 n. Chr.) zu verdanken, der mit der ehernen Regeln, das Wissen nur an Familienmitglieder weiter zu geben, brach und begann die von Chen Wangting kreierten Stile öffentlich zu unterrichten.

Der Chen Stil gilt bis heute als der älteste und schwierigste Taiji Quan Stil. In ihm werden harte, ausdrucksstarke Bewegungen aus dem Kungfu mit sanften, gleichmäßigen und geschmeidigen Bewegungen kombiniert. Yang Luchan (1799-1872), der vermutlich als Diener von der Familie Chen aufgenommen wurde, entwickelte dann den heutzutage wohl bekanntesten Taiji Quan Stil, den Yang Stil, der sich durch gleichmäßig langsame, elegante, ruhige und leicht zu erlernende Bewegungen auszeichnet. Später entwickelten sich aus Chen- und Yang Stil zwei unterschiedliche Wu-Stile und der Sun Stil. Neben diesen fünf großen Taiji-Stilen haben die chinesischen Sport- und Gesundheitsbehörden in den letzten Jahrzehnten Taiji-Experten beauftragt, zur Gesunderhaltung des Volkes standardisierte Bewegungsreihen aus 8, 16, 24, 42 und 48 Bewegungselementen etc. zu schaffen.


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