Die Kampfkunsttugend
Der Begriff
"Wude" setzt sich zusammen aus
Wushu und Dao
de.
Wushu bedeutet chinesische Kampfkünste,
Daode kann mit Tugendhaftigkeit übersetzt werden.
Wude steht demnach für die
Kampfkunsttugend.
Wude beinhaltet Elemente aus dem Konfuzianismus, dem Daoismus und
dem Buddhismus.
Jeder, der die chinesischen Kampfkünste erlernen möchte, muss darum
bemüht sein, die Kampfkunsttugend (WuDe) zu verstehen, und
dementsprechend zu handeln. Wer sich nicht tugendhaft verhält, wird
nie ein wahrer Kampfkünstler sein, sondern im besten Fall ein
Sporttreibender, der lediglich bestimmte Bewegungen kopiert, den
eigentlichen Sinn des Wushu-Trainings aber nie verstehen wird. Das
Erlernen der chinesischen Kampfkünste geht über das Erlernen der
bloßen Bewegungen hinaus, und setzt eine gewisse Lebenshaltung
voraus. So wird das Üben der Wushu-Formen im Idealfall wichtiger
Bestandteil des eigenen Lebens. Wenn man dieses Niveau des Erlernens
nicht anstrebt, wird die Art der Ausführung immer mehr oder weniger
oberflächlich bleiben.
Mit dem Erlernen der Kampfkünste ist
es wie mit allen Dingen, die man richtig erlernen will, man benötigt
Geduld, Beharrlichkeit, einen starken Willen und eine/-n gute/-n
Lehrer/-in. Es geht weniger darum einen Gegner zu überwinden,
sondern vielmehr darum sich selbst zu überwinden. Wushu ist eben
nicht nur eine sportliche Betätigung, sondern vielmehr eine
menschliche Schulung: Mit Hilfe des beständigen Übens der
Wushu-Formen und unter Beachtung der WuDe-Prinzipien sollte jeder
Wushu-Schüler stets darum bemüht sein, an seinem Charakter zu feilen
und seinen Körper zu pflegen. In China wird dies mit
"Xiuxing yangshen" oder "Wude xiuyang" zum Ausdruck gebracht
(wörtlich: "den Charakter korrigieren, den Körper
nähren/pflegen/kultivieren" oder " mit Hilfe der Kampfkunsttugend
korrigieren und kultivieren"). Auch im Shaolin-Kloster beziehen sich
6 von 10 Regeln für die Mönche auf "WuDe".
In China ist der Ausspruch
"Xuequan yi wude wei xian"
allseits bekannt: Ein Schüler kann noch so viel Talent mitbringen
und noch so fleißig üben, wenn er jedoch nicht die Bereitschaft und
die Fähigkeit zu einem tugendhaften und verantwortungsvollen Handeln
zeigt, wird kein wahrer Meister bereit sein, ihn wirklich in seiner
Kampfkunst zu unterweisen. Nach der alten chinesischen Tradition
musste ein Schüler erst unter Beweis stellten, dass er würdig ist,
die chinesischen Kampfkünste zu erlernen, nach dem Motto
"San nian zhao, san nian kao", was in der freien
Übersetzung soviel heißt wie, "ein Schüler sucht jahrelang nach
einem guten Lehrer, ein Lehrer prüft den Schüler aber auch jahrelang
bevor er ihn wirklich unterrichtet".
Die wesentlichen Kriterien bei der Auswahl der Schüler sind gemäß
der alten Wushu-Tradition:
- die Hingabe zu den Kampfkünsten, d.h. von ganzem Herzen
lernen zu wollen,
- der Ehrgeiz und die Bereitschaft "bitter zu essen" bzw.
Unangenehmes zu ertragen (chi ku),
- aufrichtige Bescheidenheit,
- Klugheit und Mut,
- Geduld und Beharrlichkeit,
- Ehrlichkeit, denn nur wer ein aufrichtiges Herz hat, gelangt
zu wahrer Einsicht,
- Hilfsbereitschaft und die Bereitschaft, sich mit anderen
freundschaftlich auszutauschen,
- für seine/-n Lehrer/-in und die Mitschüler/-innen eintreten
und sein "Ich" der Gruppe unterstellen können
- Respekt und Loyalität in erster Linie dem/r Meister/-in
gegenüber, aber auch gegenüber den Mitschülern/-menschen, Ahnen
und allen anderen Kampfkünsten
- sich an gewisse Regeln und Prinzipien zu halten, und die
Umgangsformen zu beherrschen
Die wichtigsten Aspekte des Wude umfassen:
- Ren: die Mitmenschlichkeit, gegenseitig
Liebe
- Yi: die Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit,
urteilen mit dem Herzen, Gutmütigkeit.
- Li: Respekt, Umgangsformen, Höflichkeit.
- Zhi: Wissen, Verstand, Bildung und
Weiterbildung,
- Xin: Vertrauen, Ehrlichkeit und Offenheit,
aufrichtig an etwas glauben, dazu gehört auch, dass man ein
versprechen einhält standfest und voller Einsatz ist.
- Yong: Mut, Tapferkeit.
Baoquan Li — die Begrüßung
Die Abbildung von Handfläche und Faust auf dem Yin/Yang–Kreis wird
im Chinesischen als "Baoquan Li" bezeichnet (wörtlich: der Ritus der
zusammen gehaltenen Faust).
Hierbei handelt es sich um einen alten höflichen Begrüßungsritus,
der seit jeher unter Kampfkünstlern üblich ist. Mit ihm wird der
Respekt gegenüber der anzutreffenden Person ausgedrückt. Die rechte
Faust steht für den Ausdruck von Kraft, und wird auf das 'Herz' der
linken Hand gelegt, der Blick ist geradeaus gerichtet, die Augen
sind Ausdruck des aufrichtigen Herzens, die Hände werden in etwa
20-30 cm Entfernung vor der Brust gehalten.
Was die Handfläche betrifft so steht der kleine Finger für Ästhetik,
der Ringfinger für Gesundheit, der Mittelfinger für Wissen, der
Zeigefinger für Tugend und der geknickte Daumen für Bescheidenheit.
Schließlich ist noch zu sagen, dass jeder, der mit bescheidener
Grundhaltung geduldig und beharrlich, fleißig und unter Anleitung
eines/-r guten Lehrers/-in kontinuierlich darum bemüht ist, Körper
und Geist zu schulen, und sein "Gongfu" (Fähigkeit/Geschicklichkeit)
und seine Persönlichkeit zu vervollkommnen, sich ab einer gewissen
Stufe des Erlernens in unangenehmen, schwierigen und gefährlichen,
ja sogar lebensbedrohlichen Situationen automatisch zu helfen wissen
wird.